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14.10.2020
Volle Kanne Interview zum neuen Gesetz gegen missbräuchliches Abmahnwesen

Missbräuchliche Massen-Abmahnungen sollen sich nicht mehr lohnen: Fast geanu einen Monat nach der Entscheidung des Bundestags zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs billigte nunmehr am vergangenen Freitag auch der Bundesrat den Gesetzesentwurf und damit wesentliche Änderungen im UWG.

Detailierter hatte ich unlängst die Neuerungen bereits bei aufrecht.de besprochen. Auf die konkreten Details kann man in einem solchen TV Interview, welches ich wie immer so rasch wie möglich nachreiche und welches diesmal auch vergleichsweise kurz war, natürlich nicht eingehen.
Hier nocheinmal ganz kurz ein grober Überblick :

Voraussetzungen der Anspruchstellerin/Klagebefugnis

  • Mitbewerber, die abmahnen, müssen künftig tatsächlich geschäftlich tätig sein und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F..
  • Abmahnvereine müssen künftig nach einer Übergangsfrist von einem Jahr, also wohl bis Ende Oktober 2021, auf einer Liste der so genannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sein, wofür diese nicht nur nachweisbar aktiv, sondern auch eine gewissen Anzahl von Mitgliedern haben müssen.

Ggfls. Gegenansprüche des Abgemahnten

Im Falle der missbräuchlichen Geltendmachung steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch gegen den Abmahner zu und er kann Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen fordern, § 8c Abs. 3 UWG n.F. Auch bei formalen Fehlern oder unberechtigten Abmahnungen steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch zu, § 13 Abs. 5 UWG n.F. und der Betroffene hat u.U. einen solcher Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten gegen den Angreifer, wenn auch in diesem Fall jedoch ‚nur‘ in der Höhe des ursprünglich durch den Abmahner geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruches.

Keine Abmahnkosten bei bestimmten Verstößen

Bei bestimmten Verstößen und Umständen gibt es gar keinen Ersatz der Aufwendungen für die Abmahnung mehr, nämlich, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien handelt. Dasselbe gilt für Datenschutz-Verstöße, also solche gegen die DSGVO oder das BDSG, in diesem Fall ist der Ausschluss jedoch auf Unternehmen oder Vereine beschränkt, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen. Abmahnen können diese jedoch trotzdem und klagen ohnehin.
Die vielfach geübte Kritik, dass das Gesetz hier über sein ursprüngliches Ziel hinausschießt, ist nicht unberechtigt.

Eigentlich sollten Bagatellen wie der fehlende Link auf die europäische Internetplattform zur Streitschlichtung („OS-Plattform“) oder fehlende Informationen zur Vertragstextspeicherung nicht mehr abgemahnt werden können. Dass nun sämtliche Verstöße gegen Informationspflichten (wie z.B. zur Energieklassenkennzeichnung, Textilzusammensetzung, Lebensmittelkennzeichnung oder gar Fehler zur Preisangabenverordnung von Mitbewerbern nur noch auf eigene Kosten beseitigt werden können, wird sicher eher zu einer Verschlechterung des Verbraucherschutzes führen.

Vertragsstrafe

Nach der Neuerung in § 13a Abs. 2 UWG soll keine Vertragsstrafe mehr gefordert werden dürfen, wenn tatsächlich erstmalig eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird. Was das für Rechtsfolgen genau haben wird, wenn dann gegen eine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe verstoßen wird, ist so noch gar nicht absehbar. Wird weiterhin gegen die Unterlassungspflicht verstoßen, wird sicher auch die zweite Stufe und dann strafbewehrt zu fordern sein.

Zudem ändert sich an der bisherigen Lage überhaupt nichts, wenn die erstmalige Abmahnung des Verstoßes durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft ausgesprochen wird, wodurch diese den ‚normalen Wettbewerbern gegenüber sogar privilegiert werden.
In einfach gelagerten Fällen ist die Vertragsstrafe bei Verstößen auf maximal 1.000 € begrenzt, ebenso der Streitwert des Gerichtsverfahrens. Auch hier muss die Praxis zeigen, ob eine Abgrenzung überhaupt durchgreift, was ist schon wirklich einfach gelagert – wird man fragen dürfen. Die Gerichte haben im Bereich des Urheberrechts, bei dem eine solche Schranke ebenfalls versucht wurde aufzustellen, tatsächlich häufig zugunsten der Abmahner entschieden.

Fliegender Gerichtsstand

Berechtigt ist tatsächlich nach wie vor vor allem die Kritik an der Abschaffung des so genannten fliegenden Gerichtsstands. Nach § 14 Abs. 2 UWG n.F. wird der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden, dass bedeutet der Abmahner kann sich hier nicht weiterhin das Gericht mehr oder weniger Aussuchen, sondern muss zum Sitz des Beklagten/Antragsgegner reisen. Im Verfügungsverfahren tatsächlich ein stumpfes Schwert und wir können aus der Praxis bereits jetzt berichten, dass die wirklich schwarzen Abmahnschafe sich kaum davon von Ihrem Geschäftsfeld abbringen lassen werden. Wenn unerfahrene Gerichte nicht im Sinne der Abmahner entscheiden, werden diese sich künftig nicht scheuen, durch mehrere Instanzen zu prozessieren, um doch mit der Abmahnung durchzudringen, was das Kostenrisiko für die Abgemahnten noch erhöht.
Hier nochmal die häufig gestellten Fragen in diesem Zusammenhang:

Ist das neue Gesetz sinnvoll?

Dass der Gesetzgeber hier grundsätzlich einmal tätig geworden ist, finde ich persönlich gut. Das Abmahnwesen, nämlich dass der Markt sich selbst reguliert halte ich nicht für schlecht, Abmahnwellen und Serienabmahnungen haben jedoch gezeigt, dass hier Regelungsbedarf besteht.

Was soll es vor allen Dingen bewirken?

Ganz grundsätzlich ist Ziel des Gesetzes missbräuchliche Abmahnungen zu erschweren. Es gibt höhere Anforderungen, wer überhaupt abmahnen darf, finanzielle Anreize sollen verringert werden und bei Missbrauch soll die Geltendmachung von Gegenansprüchen vereinfacht werden.

Was genau versteht man unter Abmahnung?

Es ist die sprichwörtliche "Gelbe Karte" und dient der Entlastung der Gerichte. Eigentlich eine gute Sache. So erhält ein vermeintlicher Verletzter von allgemeinen Pflichten die Gelegenheit, sein Verhalten zum einen in der Zukunft zu korrigieren und der Abmahner kann ohne teure gerichtliche Auseinandersetzungen (zB. Unterlassungsklagen) rasch Rechtsfrieden schaffen.
Das Problem ist ein potentieller Missbrauch: In der Vergangenheit wurden oft Abmahnungen ausgesprochen, bei denen es nicht um das Verhalten des Verletzers, sondern maßgeblich um den mit der Abmahnung geltend gemachten Schadensersatz in Höhe der Abmahnkosten ging. Tatsächlich werden auch oft Abmahnungen ausgesprochen, obwohl Verstöße gar nicht vorliegen oder so gering sind, dass es der Beauftragung eines Anwalts gar nicht unbedingt bedurft hätte.

Es geht nicht nur um Firmen, auch Verbraucher können in die Abmahnfalle tappen, wie das?

Wenn man beim Verkauf privater Waren nicht ganz korrekte Angaben gemacht hat.  Zum Beispiel haben in der jüngster Vergangenheit Privatleute selbst hergestellte Mund-Nasebedeckungen im Internet verkauft und fälschlicherweise als Schutzmasken bezeichnet oder gar mit den medizinischen Fachbegriffen wie FFP 2 oder gar FFP3 beworben, obwohl diese die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllen oder als solche nicht abgenommen wurden. So gut gemeint diese Produkte sind, das kann im Einzelfall tatsächlich teuer werden.

Wer im Internet was verkauft- (unabhängig ob gewerblich oder privat) sollte dennoch manches beachten um keine Abmahnung zu riskieren:

·         keine fremde Texte und Produktbeschreibungen kopieren und verwenden
·         über etwaige Mängel deutlich und ehrlich informieren
·         Fotos immer selbst machen!
·         falsche oder fremde Markenlogi oder Vergleiche mit anderen Marken unbedingt vermeiden (Orignalware darf man natürlich auch so bezeichnen)

Grundsätzlich wie gesagt, gut, dass das Thema mal angegangen wird, aber ein Freifahrtschein für jedwedes Vehralten im Netz sind die neuen Bestimmungen ganz sicher nicht - und das ist auch gut so.

 


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